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Zu Besuch bei 1,2 Mrd. Menschen

Einmal quer durch Rajasthan/Indien

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Prolog

Warum Indien? Warum nicht? Dort gibt es über 1,2 Mrd. Menschen, und da darf Die Göttin Ganesha.
Ganesha steht für Neuanfang und verkörpert Weisheit und Intelligenz - genau das richtige für unsere Reise.
man sich schon mal die Frage stellen, wie sie da eigentlich leben. Außerdem hatte ich schon so viel Widersprüchliches über Indien gehört und gelesen, dass es an der Zeit wurde, sich selber ein Bild davon zu machen.

Da der Sommer als Reisezeit aufgrund des Monsunregens für uns ausfiel, blieben leider nur die zwei Wochen Herbstferien übrig, wodurch wir von Anfang an wussten, dass es ein oberflächliches Unternehmen bleiben würde. Um nicht zu viel Zeit mit Flugreisen zu vergeuden, beschränkten wir uns weitgehend auf Rajasthan, dem flächenmäßig größten Bundesstaat Indiens, da sich dort auch die größten Sehenswürdigkeiten befinden. Der auch sehenswerte Süden Indiens und die Berge Nepals wurden aus Zeitgründen im Vorfeld aus den Reiseüberlegungen ausgeklammert.

Samstag, 15.10.

Sigrid, Dirk und ich kamen in Delhi an und stürzten uns in die Sehenswürdigkeiten. Was so, einfach? Keine Probleme, den Fahrer zu finden? Keine Komplikationen während des Fluges? Keine Katastrophenmeldungen über verlorenes Gepäck? Sikh-Tempel Bangla Sahib Gurudwara in Old Delhi.
Sikh-Tempel Bangla Sahib Gurudwara in Old Delhi.
Nein, zu unserer Überraschung lief alles glatt. Lufthansa muss ich an dieser Stelle sogar loben: Ich glaube nicht, dass ich jemals so gut in einem Flugzeug gegessen habe, und auch die Beinfreiheit schien mir etwas mehr als auf den letzten Flügen.

Unser Fahrer wurde Singh genannt und fuhr uns als Erstes nach Old Delhi zum Bangla Sahib Gurudwara, Delhis größtem Sikh-Tempel. Der hatte nämlich den ausgesprochenen Vorteil, dass er auch schon 7.30 Uhr geöffnet war, während der Rest der Stadt noch weitestgehend zu schlafen schien. Der Sikhismus wurde im 15. Jahrhundert vom Wanderprediger Guru Nanak gegründet und hat ca. 23 Mio. Anhänger, von denen über 90 % in Indien leben. Die Anhänger sollen unter anderem immer einen Holzkamm (Kangha) und einen Dolch (Kirpan) bei sich haben. Außerdem tragen die meisten den gleichen Nachnamen: Singh.[1][1] Unser Fahrer besaß aber wohl nur zufällig diesen Nachnamen, der aus einer alten Kriegerkaste stammte. Das bedeutet Löwe.

Laut dem von mir angeschafften Reiseführer von Stefan Loose (Ich muss dabei immer an "Pappa Ante Qutb-Komplex mit Siegessäule.
Qutb-Komplex mit Siegessäule.
Portas" von Loriot denken.[2][2] "Meine Name ist Lohse. Ich kaufe hier ein.") sind in Indien vier Weltreligionen entstanden.[3][3] Vgl. S. 112. Leider wird nicht geklärt, welche das sein sollen. Mir[4][4] Und Wikipedia übrigens auch! Dann muss das ja stimmen! fallen zu dem Thema "Weltreligion" genau fünf Stück ein. Beim Hinduismus und beim Buddhismus glaube ich gerne, dass sie in Indien entstanden sind. Den Islam sortiere ich in Saudi-Arabien (genauer Mekka) ein, die größte Weltreligion - das Christentum mit über 2 Mrd. Gläubigen - und das Judentum stammen dagegen aus Israel. Hmm, was nun? Bei genauerer Nachforschung fand ich dann noch den Sikhismus (23 Mio. Anhänger, siehe oben) und den Jainismus (4,4 Mio. Zugehörige), die wahrscheinlich gemeint waren. Mich würde allerdings mal interessieren, wer die zu den Weltreligionen zählt.

Nach dem Besuch des Tempels ging es erst mal ins Büro unseres Reiseveranstalters, wo wir das Geschäftliche regelten. Wir hatten die Firma Car Rental Lotustempel in Neu-Delhi.
Lotustempel in Neu-Delhi.
Delhi[5][5] http://www.carrentaldelhi.com/India/ über das Internet gefunden und uns ihr trotz kleinerer Kommunikationsprobleme anvertraut. Jetzt waren wie natürlich besonders gespannt, ob wir die richtige Wahl getroffen hatten. Der Parkplatz vor dem Gebäude war eine Mischung aus Baustelle und Schuttabladeplatz, die drei Räumlichkeiten befanden sich in einem stark sanierungsbedürftigen Komplex und besaßen zusammen ungefähr die Größe einer mittleren deutschen Küche. Trotzdem schienen der Chef und seine drei dort anwesenden Mitarbeiter genügend Überblick zu haben, um für uns ein paar Hotels und zwei Safaris buchen zu können, auch wenn die ganze Aktion deutlich länger als gedacht dauerte. Auf jeden Fall stellte sich während der Reise heraus, dass die Firma genau richtig für uns war.

Danach ging es zum Regierungsviertel, wo Singh nicht halten durfte, aber wir Touristen konnten schnell raus springen und ein paar Fotos machen, Humayun's Tomb in der Abenddämmerung.
Humayun's Tomb in der Abenddämmerung.
während der Chauffeur eine kleine Ehrenrunde drehte. Mit dieser Methode standen wir definitiv nicht alleine dar. Nach einem ausgiebigen Mittagessen - ich wollte ja nicht, dass Dirk zu Quengeln anfing - ging es zum Qutb-Komplex, der seit 1993 Weltkulturerbe der UNESCO ist. Besonders sehenswert war die mehr als 70 m hohe Siegessäule, die die umgebenden Ruinen überragt. Zum Sonnenuntergang ging es mit kurzem Zwischenstopp beim Lotustempel, dessen Form an eine Lotusblüte erinnern soll, zu Humayun's Tomb, was laut unserem Fahrer Delhis Taj Mahal war - ein Titel, der durchaus angemessen ist.Das Mausoleum wurde knapp hundert Jahre vor dem Taj Mahal als Grabstätte von Nasiruddin Muhammad Humayun, dem zweiten Herrscher des Großmogulreiches, errichtet und ist wirklich imposant und schön anzusehen. Prächtiges Deckengewölbe am Grab von Akbar.
Prächtiges Deckengewölbe am Grab von Akbar.
Seltsamerweise war es in meinem Reiseführer - genau wie einige andere Sehenswürdigkeiten Delhis auch - nicht zu finden, so dass sich dieses Buch schnell als Fehlkauf herausstellte.

Sonntag, 16.10.

Die Nacht war gut, und wir kamen nach dem langen gestrigen Tag etwas spät aus dem Bett. Zum Frühstück hatten wir die Wahl zwischen drei indischen Gerichten, die wir alle nicht kannten, was bedeutete, dass jeder von uns eines bestellte und wir dann gegenseitig probierten. So richtig begeistert war keiner von uns dreien. Als wir dann leicht nach der vereinbarten Zeit zur Abfahrt bereit waren, machte unser Fahrer das, was er häufig machte: Er wartete geduldig. Ich glaube nicht, dass wir einmal auf ihn warten mussten.

Die Fahrt nach Agra zog sich erschreckend lange hin, da ein schnelles Vorankommen auf der Autobahn ziemlich effektiv durch Fahrräder, Dreiräder, Ochsengespanne und freilaufende Kühe unterbunden wurde. Baby Taj (Grabmal von Itimad Ud Daulah).
Das "Baby Taj" (Grabmal von Itimad Ud Daulah) ist auch schon sehr sehenswert.
Grundsätzlich laufen nahezu überall in Indien Kühe frei in den Städten und auf den Straßen herum. Sie ernähren sich vom herumliegenden Abfall, an dem kein Mangel herrscht. Die Besitzer müssen sich dann nur ums Melken kümmern. Kühe werden in Indien als heilig angesehen, so dass sie in den meisten Bundesstaaten nicht geschlachtet werden dürfen. Dieses Gebot ist ursprünglich gar nicht religiösem Ursprungs, sondern es rührt einfach daher, dass sie für viele Bauern als Nutztier und Milchquelle unverzichtbar und damit sehr wertvoll waren. Trotzdem soll es extrem schlechtes Karma geben, wenn man eine Kuh mit dem Auto an- oder überfährt. Daher werden sie im Verkehr meist einfach nur massiv angehupt, was die Rinder wiederum mit stoischer Gleichgültigkeit ignorieren.

Kurz vor dem Ziel nahmen wir das Grab von Akbar in Sikandara mit, dem dritten und bedeutendsten Herrscher der Mogul-Dynastie. Gräber schienen in diesem Teil Indiens die Hauptattraktionen zu sein. In Agra ging es zum sogenannten Baby Taj, was deutlich Lust macht auf das richtige, das wir einen Tag später angehen wollten. Die Sicht dorthin war durch Smog stark getrübt, was vermutlich häufig so ist. Insgesamt war die Staubbelastung während der ganzen Reise recht hoch, aber dabei handelt es sich angeblich nur um Grobstaub, der nicht so schlimm sein soll wie die hier vorkommende Feinstaubbelastung.

Oft wird man vor den touristischen Attraktionen von Einheimischen angesprochen, die gegen ein wenig Bezahlung ihre Dienste anbieten und einen in die jeweilige Sehenswürdigkeit einführen. Rotes Fort von Agra bei Nacht.
Rotes Fort von Agra bei Nacht.
Nicht immer sind dies offizielle Führer, und die Informationen, die man bekommt, sind qualitativ sehr unterschiedlich. Trotzdem hat es sich oft gelohnt, für ein paar Euro eine private Führung zu bekommen, die durchaus auch anderthalb bis zwei Stunden dauern kann. Eine besonders gute und ausführliche Tour bekamen wir im von einer 2,4 km langen Mauer umgebenen Roten Fort von Agra, das im 16. Jahrhundert mit roten Sandsteinplatten verkleidet wurde. In den mit weißem Marmor bestückten inneren Palastanlagen gibt es den schönen Spiegelpalast, der insbesondere im Kerzenschimmer seine ganze Pracht entfaltet. Dieser war allerdings gesperrt, da er zu sehr unter den vielen täglichen Touristen litt. Spiegelpalast im Kerzenschimmer.
Spiegelpalast im Kerzenschimmer.
Für unseren geschäftstüchtigen Führer war das kein Problem, so dass wir gegen einen kleinen zusätzlichen Obolus auch dieses Highlight ganz für uns alleine erleben konnten.

Montag, 17.10.

Kurz nach dem Tode seiner Hauptfrau im Jahre 1631 ließ der Großmogul Shah Jahan innerhalb von 17 bis 22 Jahren (je nach Quelle) das Taj Mahal (Kurzform von "Mumtaz Mahal" = "Erwählte des Palastes") Taj Mahal.
Natürlich sind wir schon am frühen morgen nicht alleine unterwegs.
als ihr Mausoleum bauen. Es besteht vor allem aus weißem Marmor und ist vollkommen symmetrisch aufgebaut und voller Symbolik und offener Fragen. Für die einen soll es eine Nachbildung des Himmels sein, andere vermuten, dass es eine Reproduktion des Gottesthrones darstellt. Das einzige, was die vollkommene Symmetrie stört, ist das Grab des Erbauers selber. Vermutlich gab es daher Pläne, auf der anderen Flussseite ein schwarzes Gegenstück zu errichten, was dieses Problem behoben hätte. So oder so ist es auf jeden Fall eine Reise wert.

Am schönsten ist es, das Taj Mahal direkt bei Sonnenaufgang zu besichtigen. Taj Mahal.
Trotzdem kann man das Taj Mahal auch ohne Touristen ablichten, wenn man geschickt ist.
Um kurz nach sechs machten wir uns auf den Weg, um uns in die riesige Schlange der anderen Touristen einzureihen, die in den Genuss dieses "Geheimtipps" kommen wollten. Unser Fahrer und die diversen Reiseführer hatten uns eingeschärft, dass man - außer der Kamera - keinerlei elektronischen Gegenstand - nicht mal eine Ersatzspeicherkarte oder ein zweites Objektiv - mit in den Komplex nehmen dürfe. Die Taschen würden scharf kontrolliert, und alles Andere müsse vor Ort eingeschlossen werden. Wir hielten uns an diese Devise, die Kontrolle war aber nicht so wahnsinnig scharf, und innen drin sah man Leute mit ganzen Kamerataschen herumlaufen.

Kurz vor dem Eingang nahmen wir uns wieder einen Guide[6][6] Eigentlich muss es heißen: "Ein Guide nahm uns.", denn er hat sich - wie bei allen Attraktionen - uns aufgedrängt., der uns mit vielen Informationen über dieses Monument versorgte. Taj Mahal.
Das Taj Mahal ist ein wenig überrepräsentiert in den Bildern.
Ein bisschen befremdlich fand ich, dass dort eine Menge Leute herum liefen, die mir - augenscheinlich gegen Trinkgeld - die besten Plätze zum Fotografieren zeigen wollten. Die entdecke ich dann doch lieber selber, insbesondere da ich behaupte, dass ich nicht schlecht darin bin.

Später machten wir Zwischenstation im Wallfahrtsort Fatehpur Sikri. Wir waren in der Moschee, die vom Großmogul Akbar gegründet wurde, weil er sich einen Thronfolger erbeten hatten und seine Frau anschließend tatsächlich einen Sohn gebar. Heute kommen viele Inder hier her mit dem gleichen Wunsch auf den Lippen. Mädchen sind immer noch weniger Wert als Jungen. Mir ist der Ort vor allem aufgrund seiner aufdringlichen Geschäftemacher in Erinnerung geblieben, und wir fühlten uns bei der Abreise deutlich von ihnen geneppt.

Weiter ging es nach Ranthambore über eine der schlechtesten Straßen, die ich jemals gefahren bin, und das, obwohl wir ja auch schon in Südafrika und auf Island unterwegs waren. Für den letzten 32 km langen Abschnitt haben wir über anderthalb Stunden gebraucht.

Im Hotel begrüßte uns ein netter Portier, der so schien, als kenne er sich hier genauso gut aus wie wir. Als er uns die Bedienung der Klimaanlage zeigen wollte, musste Sigrid ihn erst darauf hinweisen, dass es eine Fernbedienung gibt. Fußabdruck eines Tigers.
Fußabdruck eines Tigers. Mehr sahen wir leider nicht von den Katzen.
Auf die Frage nach unseren Mahlzeiten versicherte er uns, dass das in Ordnung gehe, viel mehr konnte er uns zu Anfang nicht mitteilen. Als ich später telefonisch bestellte, gab es das, was wir wollten, bedauerlicherweise nicht, was er aber auch erst erfasste, nachdem er in unser Zimmer gekommen war, um die Bestellung persönlich zu ändern. Ein paar Minuten später rief er erneut an (und erschien noch einmal persönlich bei uns), weil unsere Wünsche erneut nicht klappten. In der folgenden halbe Stunde tauchte er fast zehnmal bei uns auf, um verschiedene Dinge zu bringen, abzuholen und zu fragen. Eventuell war er so übereifrig, weil er zu viel Trinkgeld von uns bekommen hatte.

Clever war der Abfluss der das ganze Bad umfassenden Dusche angebracht, der sich nicht am tiefsten Punkt des Raumes befand. Gibt es eigentlich irgendwo in diesem Land auch heißes Wasser und nicht nur lauwarmes?

Dienstag, 18.10.

Dies war der große Safari-Tag. Ranthambore National Park ist der Ort in Indien, wo die Wahrscheinlichkeit, Tiger in der freien Wildbahn zu treffen, am größten ist. Das sagen zumindest einige Reiseführer, und wir wollten unser Glück testen.[7][7] Vielleicht hätte ich schon deshalb misstrauisch sein sollen, weil es auch mein Reiseführer behauptete. Man kann entweder mit 20 anderen Mitreisenden in einem Bus (Canter) unterwegs sein oder zu sechst in einem Jeep (Gypsi). Als wir den Gypsi günstig online bei der Parkverwaltung buchen wollten, Kleiner Affe mit Mutter.
Er hat auch keine Tiger gesehen.
waren schon alle Fahrzeuge belegt, aber über unsere Autovermietung war es gegen Aufpreis noch problemlos möglich, sogar einen ganzen Jeep für uns alleine zu bekommen, wofür wir uns dann entschieden. Gelohnt hat es sich wahrscheinlich gegenüber einem 6er Jeep mit drei unbekannten Mitreisenden nicht.

Wir hatten sicherheitshalber zwei Safaris für diesen Tag gebucht, um zumindest einmal eine der 44 dort lebenden Großkatzen zu Gesicht zu bekommen. Am Anfang schien mir der Park sehr ähnlich zum Design des Dschungelpalastes im Zoo Hannover: ein kleiner Feldweg, ein paar herüber hängende Zweige und ein paar verfallene Ruinen, die malerisch von Bäumen und Sträuchern überwuchert wurden. Es gab allerdings einen sehr entscheidenden Unterschied: Im Zoo Hannover sieht man Tiger, hier blieb uns dies "erspart".

Ein wenig enttäuscht kehrten wir heim ins Hotel. Auch die Fußspuren der Raubtiere sowie Wildschweine, Hirsche, Rehe, Antilopen, Mungos und unzählige Vögel konnten nicht wirklich für Ausgleich sorgen.

Mittwoch, 19.10.

Da wir bisher an den Tigern gescheitert waren, haben wir es noch einmal versucht und noch eine Safari gebucht. Diesmal haben wir uns keinen eigenen Jeep gemietet, sondern zwei anderen Damen aus Irland angeschlossen, weil es uns den zusätzlichen Preis für die Einsamkeit nicht wert war. Um es kurz zu machen: Indische Kinder spielen mit einem selbst gebastelten Springbrunnen aus einem Wasserrohr.
Indische Kinder spielen mit einem selbst gebastelten Springbrunnen aus einem Wasserrohr.
Auch diesmal hatten die Tiger auf unserer Route[8][8] Insgesamt gibt es sechs Routen, wobei wir in den drei Safaris die erste, zweite und sechste erforscht haben. frei. So ganz sicher sind wir nicht, dass es dort überhaupt noch Tiger gibt. Im Sariska Tiger Park bei Delhi zum Beispiel fiel das letzte Exemplar 2004 Wilderern zum Opfern, zugegeben wurde das aber erst ein Jahr später, als es sich gar nicht mehr verheimlichen ließ.

Anschließend stand wieder viel Fahrt auf dem Programm, so dass wir erst kurz vor Einbrauch der Dunkelheit in Ajmer ankamen, um den Grabbezirk Dargah Khwaja Sahib zu besuchen. Dieser ist als Pilgerstätte so wichtig, dass sieben Besuche in Ajmer einer Wallfahrt nach Mekka entsprechen. Aufgrund latenter Kopfschmerzen, die mich den ganzen Tag plagten, ist mir die enge Innenstadt allerdings vor allem in Bezug auf ihre ungeheure Lautstärke und den beißenden Gestank von Abgasen in Erinnerung geblieben.

Die Hotelzimmer in Indien waren meist mit erstaunlich wenig Insekten bevölkert. Lediglich in Ranthambore mussten wir aufgrund der großen Übermacht kapitulieren und hoffen, dass es sich einerseits um Fliegen Indische Kuh - mitten im Müll.
Kühe leben auf den Straßen im Müll und ernähren sich von diesem.
handelte und dass andererseits die ebenfalls vorhandenen Spinnen sich als fleißig erweisen. In Pushkar beehrte uns an diesem Abend ein Gecko, der sich hinter unserem Schrank vergnügte. Wir waren der Meinung, dass er - genau wie die Spinnen - zu den Guten gehörte, da er half, die Anzahl der Moskitos in erträglichen Mengen zu halten. Unerfreulich war allerdings, dass er - obwohl er minutenlang regungslos sitzen konnte - sich sofort verpieselte, wenn ich mit dem Fotoapparat auch nur in seine Nähe kam. Später in Jodhpur (siehe unten) gab es auf der malerisch gelegenen Hotelterrasse sogar eine ganze Armada der Kletterspezialisten, die sich Mühe gab, dem Heer der Mücken Herr zu werden.

Donnerstag, 20.10.

In Pushkar gibt es einen kleinen See, der aus einer unterirdischen Quelle gespeist wird, die entstanden sein soll, als der Schöpfergott Brahma eine Lotusblüte zu Boden fallen lies. Dementsprechend ist der See eine Indische Schule: Gruppenfoto vor dem Kumbha-Shyama-Tempel in Chittorgarh.
Eine indische Schule posiert für das Gruppenfoto vor dem Kumbha-Shyama-Tempel in Chittorgarh gemacht.
wichtige Pilgerstätte, und um ihn herum stehen hunderte von winzigen Tempeln, die besonders zum Vollmond im Oktober/November von Gläubigen erobert wird. Wir waren für den Trubel zu früh am Morgen unterwegs, aber vielleicht war das auch gut so, weil wir so die Ruhe genießen, die kleinen Tempelchen bewundern und den Frühaufstehern bei ihren Waschungen und Gebeten zuschauen konnten, ohne sie dabei zu stören.

Streng genommen ist der Hinduismus gar keine Religion, sondern war ursprünglich eher eine Sammelbezeichnung für die Anhänger verschiedener religiöser Richtungen auf dem indischen Subkontinent, die sich nicht in die großen Religionen einsortieren ließen.[9][9] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Hinduismus.

Im Hinduismus gibt es ca. 23. Mio. Götter. Das bedeutet, dass so ziemlich alles zum Gott gemacht wird, was nicht bei drei auf den Bäumen ist - außer Katzen. Die gelten nämlich als große Pechsbringer ganz im Gegensatz zu den Millionen herrenlosen Hunden, die (genau wie die Kühe) auf den Straßen herumrennen, im Müll nach Fressen suchen oder einfach nur im Weg liegen.

Weiter fuhren wir zum Fort von Chittorgarh (oder Chittor), das als die stärkste Bastion gegen die moslemischen Invasoren gilt. Es liegt strategisch und malerisch auf einem einzeln stehenden Berg und besteht aus Befestigungsanlagen, ein paar Tempeln, einem Turm und ein paar Ruinen. Hier liefen wir auch mal wieder ein paar Schulklassen einer Privatschule über den Weg und kamen mit den Lehrern ins Gespräch. So erfuhren wir, dass in dieser Schule nur ca. 20 Schüler in jeder Klasse sind, Indische Motorradfahrer.
Viele Motorradfahrer tragen einen Helm, da es gesetzlich vorgeschrieben ist. Für Mitfahrer gilt dies nicht.
in öffentlichen Schulen es dagegen auch schon 70 bis 90 Kinder sein können. Dirk und ich haben versucht zu erklären, welche Arten von Schulstoff wir unseren Schützlingen vermitteln, aber damit waren wir wohl nicht erfolgreich. Wir hatten das Gefühl, als würden wir damit deutlich über das indische Schulsystem hinaus gehen.

In Deutschland gibt es eine Faustformel für den Sicherheitsabstand auf Straßen: "Abstand gleich halber Tacho", wobei mit "Tacho" die Geschwindigkeit in Kilometern pro Stunde gemeint ist. In Indien wurde es dagegen wörtlich genommen. Diesmal war das Gedrängel auf der Autobahn extrem groß, da die Gegenfahrbahn blockiert war, so dass uns der Gegenverkehr freundlich auf unserer Seite der Autobahn entgegen kam. Gerade bei Abbiegungen stand alles kreuz und quer, und jeder noch so kleine Zwischenraum wurde erfolgreich genutzt, um alle anderen Autos zu blockieren und das eigene Fahrzeug zehn Zentimeter dichter an sein Ziel zu bekommen.

Wir hatten vor Beginn der Reise überlegt, ob wir selber mit einem Mietwagen herumreisen können oder ob wir unbedingt einen Fahrer brauchen, was nicht wirklich teurer war. Jagdish-Tempel in Udaipur.
Jagdish-Tempel in Udaipur.
Wir entschieden uns für letzteres, obwohl ich mich gerne auch selber mit dem Vehikel ins Gewühl gestürzt hätte. Man braucht ja schließlich Herausforderungen. Im Endeffekt hat sich der Fahrer allerdings enorm bewährt - schon alleine deswegen, weil er wusste, wie der Rest der Verkehrsteilnehmer sich wohl verhalten würde. Außerdem gab er uns häufig wertvolle Tipps, zeigte uns die besten Sehenswürdigkeiten, passte auf unser Gepäck auf, was Dirk und ich spätestens seit dem Urlaub in Neuseeland und Australien sehr zu schätzen wissen, buchte uns Hotels und Touren und fuhr uns von Ort zu Ort, wenn wir aufgrund der vielen neuen Eindrücke so fertig waren, dass keiner von uns auch nur den Polizeiwagen im Kinderkarussell hätte unfallfrei manövrieren können.

Unser Nachtlager schlugen wir in der Innenstadt von Udaipur auf. Unser Spaziergang durch die winzigen, verwinkelten Gassen verlief ruhig, da es schon ein wenig spät war. Lediglich die "Octopussy-Show"[10][10] Das ist keine Live-Darbietung eines Oktopus, sondern die Vorführung des gleichnamigen James-Bond-Films, der teilweise hier gedreht wurde. wäre noch zu haben gewesen. Indische Frauen waschen ihre Wäsche im Pichola-See.
Indische Frauen waschen ihre Wäsche im Pichola-See.
Anschließend genossen wir den Ausblick von unserer Dachterrasse auf den Pichola-See, die Inseln und die schön beleuchteten Häuser und Sehenswürdigkeiten.

Freitag, 21.10.

Beim Frühstück auf der Terrasse sahen wir zu, wie die Waschfrauen unten im See die Kleidung wuschen. Der Aufwand, den sie da für saubere Wäsche betrieben, war bemerkenswert und machte uns deutlich, wie sehr eine normale Waschmaschine den Alltag erleichtern kann. Außerdem fanden wir es erstaunlich, dass die Kleidung vieler Inderinnen trotzdem so enorm farbenfroh und sauber war.

Nach dem Jagdish-Tempel stiegen wir zum Stadt-Palast empor, in dem die Familie der Sisodias Farbenspiel im Frauengemach (Palast von Udaipur).
Farbenspiel im Frauengemach des Palastes von Udaipur.
seit dem 16. Jahrhundert regiert. Sie gilt damit als eine der ältesten (oder sogar die älteste?) bestehende Dynastie der Welt. Der äußerst sehenswerte Palast selber ist eigentlich eine ganze Anlage, die aus 11 ineinander verschachtelten Palästen und mehreren Innenhöfen besteht.

Anschließend kühlten wir uns im Saheliyon-ki-Bari (Hof der Dienstmädchen) ab. Dieser wurde im 18. Jahrhundert angelegt, als eine Königin mit 48 Zofen in den Stadtpalast einzog, damit sich die Regenbogen über Lotus-Blatt.
Manchmal sind die schönen Bilder gar nicht so einfach entdecken.
Angestellten dort von den Intrigen des Palastlebens erholen konnten. Der Garten enthält viel Grün sowie einige Springbrunnen und Pools, sodass er angenehm kühl daher kam.

Anschließend bestiegen wir wieder das Auto und fuhren den Jain-Tempel der 1000 Säulen von Ranakpur an. Der Jainismus gründet sich auf fünf wichtige Gebote, wobei das wichtigste ist, dass man keine Lebewesen verletzt oder tötet. Gläubige Jainisten ernähren sich so, dass dafür weder Pflanzen noch Tiere sterben müssen. Manche tragen ein Tuch vor dem Mund, damit sie nicht versehentlich Insekten einatmen, oder fegen sogar den Weg vor ihren Füßen, damit sie nicht unbemerkt auf kleine Tiere treten.

Den Abend verbrachten wir diesmal auf einer Hotelterrasse in Jodhpur, wo wir sowohl den lauen Abend und die Aussicht auf das Meh(e)rangarh Fort[11][11] Wie bei allen indischen Namen gibt es unterschiedliche Schreibweisen - insbesondere in deutschen Reiseführern. Diesmal lieferte Google, das vermutlich umfangreichste Rechtschreibwörterbuch der Welt, keinen eindeutigen Mehrheitsentscheid. genossen, als auch den unzähligen Geckos bei der Arbeit zusahen. Grundsätzlich schienen die Reptilien eine ruhige Kugel zu schieben, da sie meist unbeweglich verharrten und das Essen zu ihnen kam.

Samstag, 22.10.

Die blaue Stadt, wie Jodhpur auch genannt wird, wurde im 14. Jahrhundert am Ostrand der Wüste Thar gegründet. Hochkastige Brahmanen mischten dem weißen Kalk Indigo bei, um die Häuser kühler zu halten und seine Bewohner gegen Moskitos zu schützen.

Mehrangarh-Fort bei Nacht.
Von unserer Hotelterrasse hatten wir einen guten Blick auf das abendlich angestrahlte Fort.

Die Burg ist auf einem einzeln stehenden Steinfelsen gelegen und mit starken Mauern gesichert, so dass sie in ihrer über 500 Jahre dauernden Vergangenheit niemals eingenommen wurde. Dies ließ sich schon bei der Anreise dorthin gut vorstellen. Blutige Versuche gab es dagegen genug. Auch in anderen Bereichen hat die Anlage blutige Geschichte geschrieben. Indische Frau in farbenfrohem Sari.
Indische Frauen sind oft sehr farbenfroh gekleidet.
So fand hier Mitte des 19. Jahrhunderts der letzte Massen-Sati eines Marwari-Maharadscha statt, und noch 100 Jahre später soll sich die letzte Sati aus dem Königshaus selbst verbrannt haben. "Sati" (wörtlich: "gute Frau") steht sowohl für die rituelle Witwenverbrennung nach dem Tod ihres Mannes als auch für die verbrannte Witwe selber. Der rituelle Selbstmord, der nicht immer freiwillig vonstattengeht, wurde zwar schon Anfang des 19. Jahrhunderts im britischen besetzten Teil Indiens verboten, aber auch heutzutage gibt es noch vereinzelte Fälle.

Auf dem Weg zum Fort und danach machten wir noch Abstecher zu einigen imposanten Grabmalen. Ich hätte es angemessen gefunden, wenn Sigrid und Dirk auch mir so ein Monument nach meinem Tode widmen würden, aber die beiden lehnten aus unerfindlichen Gründen ab.

Abends kauften wir in einem Laden, der uns von Singh empfohlen worden war, Gewürze und Tee. Ich habe keine Ahnung, inwiefern wir dabei übers Ohr gehauen wurden, aber es machte nicht den Eindruck - und das ist ja schließlich das wichtigste. Überhaupt ist uns nicht klar geworden, wie sich unser Fahrer finanziert. Wir hatten ihn über eine Firma angeheuert und hatten dort natürlich auch für das Auto und das Benzin bezahlt. Aber wie viel hatte er davon bekommen? Er wollte es uns leider nicht sagen. Andererseits machte er seine Sache so gut, dass er - wenn man den Angaben im Reiseführer glauben schenken darf - mehr Trinkgeld von uns bekam, als ein Inder durchschnittlich in einem Monat verdient.

Sonntag, 23.10.

Heute fuhren wir nach Jaisalmer in die Thar-Wüste hinein. Trotz aller eigenen Erfahrungen denke ich bei Wüste immer noch oft an malerische Sanddünen oder zur Not auch Steine und Felsen. Stattdessen grüßten uns einige graue Sigrid reitet auf einem Kamel.
Sigrid reitet auf einem Kamel.
Sträucher vom Straßenrand, dazwischen dünnes Gras aber fast keine Bäume. In der Monsun-Zeit fällt auch hier Regen, bloß danach nicht mehr. So ist es drei bis sechs Monate sogar einigermaßen grün, wobei ich trotzdem hier weder Landwirtschaft noch Viehzucht betreiben möchte. Das sieht nach einem sehr harten Geschäft aus, hielt aber trotzdem nicht alle Inder davon ab.

Die Gegend wurde immer eintöniger und nur selten von ein paar Verkaufsständen unterbrochen, so dass man fast das Gefühl hatte, im Kreis zu fahren. "Sind wir hier nicht eben schon mal vorbeigekommen?" Die Straßen waren - trotz der geringen Fahrzeugdichte - erstaunlich gut ausgebaut und vollständig asphaltiert, so dass wir viel Strecke schafften, Traditioneller indischer Schüsseltanz.
Dieser "Schüssel-Tanz" war nicht ganz echt. Die sechs Schüsseln waren miteinander verklebt.
was ich nach den Erfahrungen um Ranthambore (siehe oben) nicht erwartet hatte. Auch unsere Handys hatten glänzenden Empfang, weshalb man sich durchaus fragen darf, warum ich damit sogar in der Lüneburger Heide Probleme habe. Ein Blick auf die Landkarte und auf die Fahrzeuge, die uns entgegen kamen, machte deutlich, warum die indische Regierung hier so viel Geld in Infrastruktur investiert hatte: Auf der anderen Seite der Wüste befindet sich Pakistan, der Erzfeind, mit dem Indien im Dauerstreit liegt und gegen den Indien schon dreimal Krieg geführt hat. Logisch, dass das Geld hier viel besser angelegt ist als im Schulsystem.

Kurz vor Jaisalmer bogen wir in die Wüste ab und fuhren noch ca. 50 km weiter in ein kleines Nest, in dem unser Fahrer eine Übernachtung in der Wüste für uns organisiert hatte, wobei uns nicht so ganz klar war, was wir uns genau darunter vorzustellen hatten. In dem kleinen Hotel, das aus acht Zwei-Bett-Hütten mit angeschlossenen Badezimmern bestand, waren wir die einzigen Kunden, aber dafür gab es genauso viel Personal wie Gäste. Besonders interessant fand ich den Gang durch das kleine Dorf, bei dem es tatsächlich den Anschein hatte, als würden wir etwas vom normalen Innenleben der Häuser der Dorfbewohner sehen.

Dann machten wir einen Ritt auf Kamelen auf eine der wenigen Sanddünen weit und breit, um den Sonnenuntergang zu genießen. Im Gang war das Reiten durchaus angenehm, aber als die Kamele in den Trab wechselten, wurde so ein Kamelrücken doch schnell ziemlich hart. Neben Einheimischen, die uns - gegen etwas Trinkgeld natürlich - gerne willkommen getrommelt hätten, versammelten sich dann auch ca. 100 Touristen auf der Düne. So eine Wüste ist halt klein.

Als die Sonne weg war, ging es wieder zum Hotel bzw. zum Nachbaranwesen, wo wir an einer Tanzveranstaltung mit einer indischen Reisegruppe zusammen teilnahmen. Einen "Kellner" aus unserem Hotel hatten wir dabei mitgenommen, so dass wir immer etwas bevorzugt bewirtet wurden, Nachtlager in der Wüste auf einer Düne.
Dirk inspiziert das Nachtlager mitten im Nirgendwo auf einer Düne.
wobei die anwesenden indischen Touristen definitiv eher zur Oberschicht gehörten. Anschließend wurden wir wieder - natürlich alleine - in unser Hotel zurückgeführt, wo für uns Abendessen für eine ganze Kompanie gekocht worden war.

Sherlock Holmes und Dr. Watson campen zusammen. Nachts erwachen beide aus ihrem Schlaf und schauen in den Sternenhimmel. Holmes fragt seinen Freund Watson: "Was stellen Sie fest?"
Watson erwidert nach kurzem Zögern: "Es wird etwa drei Uhr sein, der große Wagen steht schon tief am Himmel. Es könnte schlechtes Wetter geben, denn im Westen ziehen Wolken auf. Die riesige Menge an Sternen macht mir deutlich, wie winzig wir kosmologisch betrachtet sind und wie wahrscheinlich es ist, dass es dort draußen intelligentes Leben gibt. Was stellen Sie fest?"
Holmes antwortet ungewöhnlich zornig: "Sie Idiot, Watson, irgendjemand hat unser Zelt geklaut" [12][12] Laut einer Studie von Richard Wiseman soll dies der zweitbeste Witz der Welt sein (vgl. http://www.richardwiseman.com/LaughLab/introduction.html).

Dann ging es mit dem Nötigsten bewaffnet auf einem Kamelwagen zurück in die Dünen, wo drei Feldbetten für uns aufgebaut wurden. Ein Zelt gab es nicht. So verbrachten wir die Nacht weit weg von jeglicher menschlicher Behausung in völliger Dunkelheit und Ruhe unter dem wunderbaren Sternenhimmel. Lediglich eine Frage quälte uns: Warum hat irgendein Depp genau das einzige Kamel mit Kuhglocke um den Hals mitgenommen?

Montag, 24.10.

Es war sehr schön, unterm freien Sternenhimmel zu nächtigen, wobei es trotz der dicken Decken am morgen doch frisch wurde und windig. Außerdem war es erstaunlich, wie viele Fußspuren Fort von Jaisalmer.
Fort von Jaisalmer.
von allem möglichen Getier (evtl. auch Schlangen?) um uns herum über Nacht aufgetaucht waren. Bemerkt hatten wir während des Schlafens davon nichts. Ein bisschen sandig fühlten wir uns dafür am nächsten Morgen auch an.

Jaisalmer müsste eigentlich die sauberste Stadt der Welt sein. Überall wurde innen und außen, Haus und Kleidung geputzt, gewischt und gewienert, weil das wichtigste Fest Indiens vor der Tür stand: Diwali. Leider schien es so, als seien die Inder nur an der Sauberkeit ihres eigenen Eigentums interessiert, was dafür vor der Tür herum liegt, ist ihnen egal. So wurde der Müll gerne vor der Haustür ausgeleert, was sich an vielen Stellen Haveli (Stadtvilla) in Jaisalmer.
Haveli (Stadtvilla) in Jaisalmer.
bemerkbar machte.

Erst wurden wir von einem Führer, den unser Fahrer angeheuert hatte, durch die Straßen geführt, wobei wir einige schöne Havelis (Stadtvillen) von außen und innen besichtigten. Das Fotografieren im Inneren war zwar nicht erlaubt, aber dieses Verbot wurde gerne vergessen, wenn man dafür den freundlichen Aufpasser mit ablichtete.

Anschließend eroberten wir das Fort, was bisher mehr oder weniger uneingenommen geblieben war. Meist haben die Bewohner nach einer längeren Belagerung den Freitod gewählt, so dass hinterher niemand mehr da war, der die Truppen versorgen konnte und auch die Angreifer wieder abziehen mussten.

Zum Sonnenuntergang schauten wir uns die schmucken Grabanlagen auf den Hügeln vor der Stadt an und genossen die Aussicht über die ganz aus Sandstein gefertigte "Goldene Stadt".

Dienstag, 25.10.

Die Fahrt nach Bikaner war lang und langweilig. Es war eine dieser Fahrten, wo wir froh waren, dass wir nicht in Gefahr liefen, am Steuer einzuschlafen. So konnten wir nach den anstrengenden Tagen ein wenig vor uns hin dösen und Schlaf nachholen, denn wir liefen bei der Eintönigkeit der Landschaft nicht Gefahr, etwas Wichtiges zu verpassen.

In Bikaner besichtigten wir das große Fort, das sich dadurch von den vorherigen deutlich unterschied, dass es nicht auf einem Felsen sondern ebenerdig stand, was es etwas Öllampenverkauf vor Diwali.
Vor Diwali werden überall Unmengen von kleinen Öllampen verkauft.
unspektakulärer erschienen ließ. Innen drin war es dagegen prächtig ausgestattet und bot einige Sammlungen an alten Dingen, wobei wir nicht immer nachvollziehen konnten, nach welchen Kriterien die Ausstellungsstücke ausgewählt worden waren.

Die Badezimmer in unseren Hotels waren meist einfach eingerichtet, teilweise gab es sogar richtig heißes Wasser, was allerdings keine Selbstverständlichkeit war. Außerdem scheint die großartige Erfindung des Duschvorhangs weitgehend an Indien vorbeigegangen zu sein, so dass man manchmal besonders nach Dirks Duschen einen Schwimmkurs rund um die Toilette hätte geben können.

Wer in Physik ein wenig fit ist - zum Beispiel natürlich alle meine Schüler[13][13] Ich bin und bleibe halt ein unerschütterlicher Optimist. - der kennt die Linke-Hand-Regel, die die Richtung der Lorentzkraft angibt. In Indien gibt es dagegen die Rechte-Hand-Regel. Kurz gesagt: Gegessen wird mit rechts, der Hintern abgewaschen mit links. Strassenkind in Indien.
Ein Kind, das sicher nicht in den Genuss einer Schulbildung kommt.
Wir haben glücklicherweise allerdings meist Toiletten gefunden, die mit Papier ausgestattet waren.

Mittwoch, 26.10.

Zu Beginn der Fahrt nach Jaipur besuchten wir die Ehrengrabmalstätte Devi Kund Sagar, wo die königliche Familie Bikaners und einige weniger bekannte Leute beigesetzt sind. Uns persönlich war aber niemand aus der Gruppe geläufig.

Anschließend ging es weiter nach Fatehpur, wo es ein paar Havelis (Stadtvillen) zu bestaunen gab. Aus Mangel an einer Führung und durch den teilweise von außen sehr heruntergekommenen Anblick haben sie allerdings nicht den überwältigenden Eindruck auf mich gemacht, so dass ich eher dem wilden Straßentreiben zusah.

Danach zeigte Singh uns den Samode Palace, ein alter Palast und gegenwärtig teures Hotel. Wir checkten aber nicht ein, Außenfassade vom Palast der Winde.
Außenfassade vom Palast der Winde.
sondern stiegen stattdessen die dort beginnende 400 Stufen zählende Treppe hinauf, um von oben einen guten Überblick über die Landschaft zu bekommen.

Auf dem Markt in Jaipur hielten wir - wie schon die letzten Tage - fleißig aber erfolglos Ausschau nach schönen Ansichtskarten, die in Indien scheinbar schwierig zu bekommen waren. Als uns ein Händler von Seidentüchern in sein Geschäft locken wollte, sagte Dirk, dass wir nur auf der Suche nach Postkarten seien. "Klar, haben wir auch.", antwortete der Händler, was zwar keiner von uns glaubte, aber wir wollten trotzdem mal sehen, was passierte. Also kamen wir herein, und der Händler schickte erst mal seinen Laufjungen fort, Indische Frauen an Diwali.
Am letzten Tag von Diwali gibt es viel Feuerwerk, und Öllampen werden auf die Kreuzungen gestellt.
um Karten irgendwo in der Nähe aufzutreiben. Tatsächlich kam er, während wir uns Tücher ansahen, nicht viel später mit vier Sets zurück. Die Qualität war eher gering, und zwei Sets stammten wenn schon nicht aus dem vorletzten, so zumindest aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Wir nahmen dann das einzig brauchbare Set zu einem guten Preis, und der Händler konnte Dirk noch ein Seidentuch für seine Mutter andrehen, so dass beide Parteien einen Gewinn aus dem Handel zogen.

An diesem Tag war der Höhepunkt von Diwali, einem mehrtägigen hinduistischen Fest, das grob gesagt in etwa die Summe aus Weihnachten und Neujahr darstellt. Überall standen Unmengen von kleinen Öllampen herum oder wurden durch die Gegend getragen. Dazu gab es viel Feuerwerk, das wir uns von der Dachterrasse unseres Hotels ansahen.

Donnerstag, 27.10.

Wir starteten den Tag ein paar Kilometer nördlich von Jaipur in Amber. Dort thront eine mächtige Festung, die durch Bergketten und hohe Schutzmauern gesichert ist. Amber Fort.
Amber Fort.
Besonders beliebt ist es, auf Elefanten den Berg bis zum Haupteingang hinauf zu reiten, so dass ein nicht enden wollender Treck von Elefanten die Touristen nach oben bugsiert. Die Schlange ist aber oft sehr lang, so dass wir uns für das Auto als Transportmittel entschieden. Indische Elefanten sind relativ zur Fläche ihrer Ohren 100 % größer als afrikanische Elefanten. Das klingt gewaltig, sagt aber wenig aus. Die indischen Elefanten besitzen einfach deutlich kleinere Ohren, was das Hauptmerkmal zur Unterscheidung der beiden Elefantenarten ist.

Die Burg ist groß und eindrucksvoll, und man bekommt einen guten Überblick über das Tal und den Ort Amber, so dass wir es ausgiebig erkundeten. Symptomatisch war, dass wir nach der gestrigen Aktion mit dem Seidentuchhändler jetzt auch endlich Souvenirgeschäfte mit Postkarten fanden.

Anschließend fuhren wir zurück nach Jaipur zum Palast der Winde (Hawa Mahal), dessen prächtige Fassade zu Recht als Wahrzeichen von Jaipur dient und das eine oder andere Foto rechtfertigt (siehe oben). Das Lustschloss diente dazu, den Haremsdamen Farbenprächtiges Glasmosaik im Palast der Winde.
Farbenprächtiges Glasmosaik im Palast der Winde.
einen guten Blick auf die Festumzüge und den Markt auf der Straße zu ermöglichen, ohne selber von außen gesehen zu werden. Auch von innen ist es schön anzusehen. Insbesondere das Farbenspiel der Mosaike hat mir gut gefallen.

Nebenan befindet sich der Stadtpalast, der vor allem durch seine schönen Ornamente und reichen Verzierungen hervorsticht. Wir hatten allerdings das Problem, dass er sich für unsere Augen nicht sonderlich von den bisherigen Palästen unterschied. Dadurch setzte ein gewisser Sättigungseffekt ein, was dazu führte, dass uns die Paläste nicht mehr vom Hocker rissen. In diesem befanden sich auch zwei riesige Gefäße, in denen der Herrscher Anfang des 20. Jahrhunderts 8000 l Wasser aus dem Ganges mit nach England nahm, weil er dem westlichen Wasser nicht vertraute. Wir kauften dagegen abgepackte Getränke direkt vor Ort, weil wir dem indischen Leitungswasser nicht ganz vertrauten. Die Preise schwankten dabei teilweise abenteuerlich. Heute sollte eine Flasche Cola 70 Rupien (ca. 1 €) kosten, allerdings wussten wir mittlerweile, dass unten auf der Dose eine Preisempfehlung (wie bei anderen Flaschen auch) aufgedruckt war, die 20 Rupien besagte. Dirk wies darauf hin, worauf wir sie ohne weitere Verhandlungen für den Preis bekamen. Als wir später am Tag an der gleichen Bude weitere Getränke kaufen wollten, konnten wir den Preis nicht unter 30 Rupien drücken.

Das Observatorium Jantar Mantar, was oft lobend erwähnt wird, fand ich etwas enttäuschend. Eingang zum Pfauenhof des Stadtpalastes.
Eingang zum Pfauenhof des Stadtpalastes.
Es enthält eine wirklich große Sonnenuhr, aber mit Ausnahme eines Gerätes zur Bestimmung des Polarsterns werden bei allen anderen Messgeräten nur die horizontale bzw. vertikale Position der Sonne bestimmt. Je nach Werkzeug wird sie dann lediglich in verschiedenen "Einheiten" wie Uhrzeit, Sternzeichen oder ähnlichem angegeben. Trotzdem sind es alles "nur" Sonnenuhren.

Abends fuhren wir zum über der Stadt gelegenen Fort Nahargarh, das nicht viel hermachte. Die Aussicht über Jaipur und die Umgebung war allerdings schön.

Freitag, 28.10.

Heute ging es zurück nach Delhi, wo wir die letzten beiden Tage verbringen wollten. Unser Fahrer hatte sich in unserer Abwesenheit einen Platten geholt, so dass wir noch einen kurzen Stopp in einer Autowerkstatt machten, Rotes Fort von Delhi bei Nacht.
Die Außenfront des Roten Forts kann man auch ohne Eintrittskarte prima bei Nacht fotografieren.
um wieder einen heilen Reservereifen an Bord zu haben. Ansonsten war das Auto in einem guten Zustand und hat die ganze Zeit seinen Dienst ohne Murren verrichtet.

Am ersten Tag in Delhi waren wir bei einem Schneider gewesen, wo Dirk und ich einen Maßanzug in Auftrag gegeben hatten, der morgen fertig sein sollte. Wir schauten dort vorbei und konnten die fast fertigen Exemplare schon mal bewundern. Rotes Fort von Delhi von innen bei Nacht.
In das Innere kommt man abends nur zur Licht- und Tonshow hinein.
Lediglich Taschen und Revers mussten noch vollendet werden, was sich dann bis zum Abend geändert hatte.

Nach einem kurzen Abstecher zum Hotel fuhren wir zum Roten Fort, wo wir die Ton- und Lichtshow buchten. Zum ersten Mal erschien uns Singh dabei ungehalten, da seine Standartvereinbarung für Delhi wohl nur 8 Stunden Arbeit und 80 km pro Tag vorsah. Wir hatten aber schon von Deutschland aus darauf geachtet, dass wir eine Zeit- und Kilometerpauschale für die gesamte Reise hatten. Nach einer kurzen Rücksprache mit seinem Chef war das Problem erledigt, wobei unser Fahrer nicht so ganz glücklich darüber schien.

Die Licht- und Tonshow war lediglich mittelmäßig. Sie setzte eher auf Ton, und die wenigen Lichteffekte stellten einfach nur unterschiedliche farbige Beleuchtung der Gebäude dar. Dafür konnten wir ein paar nette Nachtfotos vom Fort machen.

Interessant war es für mich zu beobachten, wie Singh mit uns interagierte und wen er für den Anführer von uns dreien hielt. Natürlich waren wir gleichberechtigt, aber wie fasste das unserer Chauffeur auf? Ich hatte das Auto bezahlt, Überladenes indisches Auto.
"Überladen" ist in Indien ein Fremdwort.
Dirk saß dafür die ganze Zeit auf dem Beifahrersitz und unterhielt sich am meisten mit unserem Fahrer. Oft bahnte er die Entscheidungen, wohin wir als nächstes gebracht werden wollten, durch sinnvolle Nachfragen an, während Sigrid und ich lediglich von hinten zuhörten. Trotzdem wandte sich Dirk normalerweise abschließend zu den Rücksitzen, von wo wir dann unser Placet gaben. Ich hatte das Gefühl, dass dies dazu führte, dass Singh mich bei Diskussionen besonders aufmerksam im Rückspiegel anschaute und auf mein Einverständnis wartete. Klar war aber auf jeden Fall, dass ihn Sigrids Meinung nicht wirklich interessierte. Auch wenn Sigrid Trinkgeld gab, wurde sie teilweise seltsam von den (meist männlichen) Empfängern angesehen, so dass sie diese Aufgabe im Verlauf der Reise an uns delegierte.

Samstag, 29.10.

Während der Reise hatte jeder von uns früher oder später mal ein wenig mit seinem Darm zu kämpfen, was wir auf das ungewohnte Essen und Jama Masjid, die größte Moschee Indiens.
Jama Masjid, die größte Moschee Indiens.
die vielleicht nicht immer optimale Hygiene zurückführten. Insgesamt gab es aber keine Probleme, die nicht mit einer Imodium Akut gelöst werden konnten. Am schlimmsten erwischte es Sigrid, die an diesem Tag im Hotel bleiben musste, während Dirk und ich weiter Delhi besichtigten. Als unser Fahrer erfuhr, dass wir am Abend des Vortags einen indischen Schnellimbiss besucht hatten, war ihm der Grund für Sigrids Unwohlsein sofort klar. Wir sahen das anders, da uns der Laden sauber vorkam, das Essen lecker und preiswert war und Sigrid die einzige war, die nichts gegessen hatte.

Dann fuhren wir zur Jama Masjid, der größten Moschee Indiens, in deren Innenhof bis zu 25.000 Gläubige Platz finden. Wir kannten uns zu wenig mit der Symbolik aus, so dass für uns alle Moscheen ähnlich aussahen. Wie vor jeder Moschee musste man die Schuhe ausziehen, und die vielen Tauben, die dort gefüttert wurden, sorgten nicht dafür, dass das Umherwandeln eine große Freude war.

Weiter ging es zum Roten Fort, das dem Fort von Agra nachempfunden ist. Eigentlich ist es eher ein mit großen Steinmauern umzäunter Palast mit Audienzhalle, Moschee, Bädern Indisches Mädchen.
Der "Hello-Kitty-Look" ist in.
und anderen wichtigen Räumen, die man zum Regieren braucht. Innen drin befinden sich verschiedene Museen mit deutlich unterschiedlicher Qualität. Das "War Memorial Museum" konnte man in der Pfeife rauchen. Die Ausstellungsstücke waren nach dem Motto "Vitrine auf, Waffen rein, Vitrine zu" aufbereitet. Interessant war dagegen das Museum zur Unabhängigkeit Indiens, denn uns fehlte bisher auf der Reise der geschichtliche Hintergrund dazu.

Mohandas Karamchand (Mahatma) Gandhi ist vermutlich der berühmteste Inder der Geschichte. Er hat sich ganz enorm für jegliche Form der Gleichberechtigung und für die indische Unabhängigkeit stark gemacht, wobei er sich stets gegen Gewalt aussprach. Er trat häufiger in den Hungerstreik, was ich selbst bei dem indischen Essen nicht hinbekommen hätte. Bei der Besichtigung des Gandhi Museums erfuhren wir auch, dass er die Bedürfnislosigkeit propagierte. Er sagte sich von allen irdischen Besitztümern bis auf fünf frei. Indischer Vater mit Kind.
Vater mit Kind.
Seine Kleidung ist bei dieses fünf Dingen schon mit eingerechnet. Wir hatten dagegen schon im Museum ein paar Dutzend dabei. Das Museum war zwar gut aber so umfangreich, dass wir nach der Hälfte nicht mehr aufnahmefähig waren.

Epilog

Und, war Indien die Reise wert? Ja, auf jeden Fall, wobei es uns nicht so umgehauen hat, dass wir nächstes Jahr wieder hin müssen. Insgesamt hatten wir ein wenig das Gefühl, als würden sich die Sehenswürdigkeiten wiederholen, obwohl es mir auch schwer fällt zu sagen, was man denn nun hätte weglassen sollen. Indien und seine Bewohner bieten ein unwahrscheinlich großes Potential, das allerdings durch mangelnde Organisation und Investitionen an den falschen Stellen weitgehend vergeudet wird. Meine oben abgelieferte Beschreibung des Landes oder besser gesagt des Bundesstaates ist leider viel zu oberflächlich, um einen angemessenen Eindruck davon zu vermitteln. Vermutlich muss man doch persönlich hin, um sich selber eine Meinung bilden.